Dr. Wolfgang Hubach

Christa suchte in der Zeitung die Todesanzeigen ab. Bei allen stand nur der Ort, in dem der Tote gewohnt hatte. Nur eine Anzeige nannte die genaue Anschrift, Villenstraße 13. Das klang vielversprechend. Sie rief Christoph an und meinte, sie habe etwas.

Am Nachmittag fuhren die beiden zu der angegebenen Adresse und begannen unauffällig, das Gebäude und die Umgebung auszuspähen. Es handelte sich um eine alleinstehende Villa mit einem hohen Heckenzaun, geradezu ideal, um einzusteigen. Am Tag der Beerdigung parkten sie mit ihrem Auto in der Nachbarschaft. Schon eine Stunde vor der Trauerfeier verließen die schwarz gekleideten Angehörigen das Haus. Die beiden warteten eine Viertelstunde, weil immer die Gefahr bestand, dass jemand aus irgendeinem Grund noch einmal zurückkehrt. Dann stiegen sie aus, zogen Sturmhauben über und schlichen sich hinter der Hecke zur Haustür hin. Christoph musterte noch einmal die Umgebung und begann dann, das Schloss zu knacken, was ihm keine Schwierigkeit bereitete.

Die beiden durchsuchten zuerst das Erdgeschoß, stopften alles, was kostbar aussah, in ihre Rucksäcke. Hätten sie geahnt, dass viele wertvolle Bilder hier hingen, sie hätten große Taschen mitgebracht. So nahm jeder mit, was in seinen Ranzen passte. Ein Tresor war nicht zu entdecken. Wahrscheinlich befand sich dieser in einem der Schlafzimmer im Obergeschoß. Christa fand dort wertvollen Schmuck, Christoph aber nirgends einen Safe. Am hintersten Zimmer stand die Tür einen Spalt offen. Er stieß diese auf. In einem Bett lag eine alte Frau. Sie hielt einen Revolver in der Hand, einen Colt, Kaliber 45 und sie schoss ohne Vorwarnung. Sie traf ihn voll in den Unterleib. Christoph stürzte nieder und schrie so laut, dass es durch die geschlossenen Fenster auf der Straße zu hören war. Christa warf ihren Rucksack weg und rannte zur Tür hinaus, direkt in die Arme zweier gut gebauten Männer, die das Mädchen festhielten und ihr die Sturmhaube herunterrissen.

Die beiden Männer waren nicht zufällig gekommen. Als die alte Dame im Erdgeschoß Geräusche gehört hatte, drückte sie den Knopf für den Hausnotrufdienst. Dann zog sie den Colt unter der Decke hervor, den ihr verstorbener Mann einst einem GI abgeschwätzt hatte. Weil die Einbrecher sich im Erdgeschoß viel Zeit gelassen hatten, kamen die beiden dann gerade zurecht, um Christa zu schnappen und die Polizei und den Notarzt zu alarmieren.

Die Ärzte im Krankenhaus hatten wenig Hoffnung, dass Christoph überleben würde, dafür hatte er zu viel Blut verloren. Trotzdem operierten sie den zerfetzten Unterleib, um zu retten, was zu retten war.

Er überlebte, aber nicht als Mann.

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