Dr. Wolfgang Hubach

München im Januar.

Theatinerstraße, Kunsthalle, Anders Zorn, 1860–1920.

Menschen drängen sich.

Vornehmlich Frauen.

Mit langsamen Schritten gehen sie von Bild zu Bild.

Keines wird ausgelassen.

Nur wenige sind wirklich interessiert.

Vor Badeszenen verhalten sie etwas länger, wünschen sich, tun zu können, was sie nie tun werden.

Fühlen sich bei Gedanken ertappt, blicken verweisend, distanzieren die wenigen Männer durch ihre Kälte.

Unbeobachtet schreit Verlorenheit aus ihren Augen.

Einige kennen sich, gelegentlich ein Lächeln, manchmal ein Wort.

Ein Blick in die Videoshow, zwanzig Minuten vergehen so.

Nochmals durchschlendern, einwirken lassen.

Ein begnadeter Portraitist,

Maler der Reichen.

Hier, Gustav V. 1909.

Die Königin war da gewesen.

Zur Ausstellungseröffnung.

Sehr dezent wie immer.

Trotzdem fasziniert.

Die drei Drallen an der Küste.

Warum wirken Schweden nackt so natürlich und die im Englischen Garten so schamlos?

Bilder der Mittsommernacht.

Die Nackte in den Schären.

Offenbar hat seine eigene Frau ihm auch als Akt Modell gestanden.

Geht der Blonde hinter mir her?

Jahrmarkt in Mora.

Wie überall, es trifft die Frau.

Diese Ergebenheit gegenüber dem besoffenen Schwein, beschämend!

Männer!

Immer finden sie eine Dumme.

Bereit zum Leiden.

Nein, lieber alleine bleiben!

Liebesnymphe.

Hingebung.

Diese Hingebung!

Geben, damit einer nehmen kann.

Aber ich bitte Sie!

Wenn ich das mit Schiele vergleiche, im Sommer …

Nein, das war widerlich.

Drei Mal war ich da gewesen, jedes Mal schockiert.

Diese morbide Laszivität!

Klimbt geht noch, aber Schiele?

Nein!

Zorn ist auch nicht zimperlich.

Dralle Dinger, aber eben natürlich.

Was Frauen alles mit sich tun lassen!

Der Blonde, schon beim ersten Rundgang war er immer drei Bilder hinter uns gewesen.

Wagt er´s?

Als Aquarellist ist Zorn fast photographisch genau.

Nehmen Sie die Liebesnymphe.

Schon die Vorstudien, zum Beispiel die Schmetterlinge.

Faszinierend.

Überraschend die Sozialkritik.

Brauereiarbeiterinnen.

Seine Mutter.

Bauernmädchen.

Das Fischweib.

Die Broncen, interessant. Gustav Wasa. Nymphe und Faun.

Nur noch wenig von der Unschuld der Liebesnymphe.

Es liegen zehn Jahre dazwischen.

Eisregen, draußen, alle Cafés überfüllt.

Drall!

Drall ist das Wort, das sich durch das Alterswerk zieht.

Mutter und Tochter bei der Toilette.

Diese Reflexe auf der nackten Haut!

Sie verfolgen dich.

Jeder weiß, wie es gemacht wird, trotzdem, phantastisch.

Eisregen, draußen.

Das Wasser auf den Aquarellen.

Reflexe.

Der Akt `Reflexe´.

Wasser und Haut.

Die Landschaften.

Die Radierungen.

Noch einmal zu zwei, drei Werken zurück.

Wo ist der Blonde?

Gegangen.

Die Zeit?

Vergangen.

München im Januar.

Samstagnachmittag.

Sinnvoll verbracht.

© Das copyright liegt bei dem Verfasser.