Dr. Wolfgang Hubach

Kurz nach neun kamen sie ins Café in Rottach, die brünette Dicke, die blonde Mollige und das dunkle Hascherl, das aussah, als wäre es erst konfirmiert worden.

„Follein! Frühstücken!“

„Ja, bitt schön?“

„Also, ich will ein richtiges Frühstück mit Kaffee und allem“, verlangte die Brünette.

„Ich will nur einen Kaffee, ein Käsebrot und den Immobilienteil. Für meine Tochter eine Jasmintee und eine Schinkensemmel“, bestellte die Blonde.

Sie waren schick und teuer gekleidet, typische Neubayern aus dem Norden. Karrierefrauen die Älteren, bereit, auch noch die letzte Mark in den letzten Quadratmeter Tegernseer Grund zu investieren.

Die Bedienung servierte rasch, sie schien die drei und deren Ungeduld zu kennen. Die Blonde zündete sich eine Zigarette an und kaute zwischen zwei Zügen an ihrem Brot herum, die Augen in der Zeitung. Die Brünette strahlte über ihre Platte, weiche weiße Brötchen, Butter, Marmelade, Honig, Wurst, Leberpastete, Käseröllchen, Käseecke, Käsescheibe, Käsekräcker, doppelte Sahne zum Kaffee, vier Zuckerstückchen extra.

Die Dunkle holte aus ihrer Tasche ein Arzneifläschchen und ein Pillendöschen.

Die Dicke spöttelte: „So müsste mir einmal sein, schon am Morgen so ein Zeug zu schlucken.“

„Was soll ich denn tun, Ev? Ich war vorhin bei Werner in der Praxis. Fünfundachtzig zu sechzig haben sie gemessen“.

Ev, die sich inzwischen Butter, Käse und Wurst auf eine Brötchenscheibe gehäuft und die Hälfte davon zwischen die Porzellanzähne geschoben hatte, schmatzte und spukte Krümel, als sie meinte: „Fünfundachtzig zu sechzig! Lächerlich! Schnapp dir endlich den Richtigen, dann hast du in Nullkommanichts hundertzwanzig! Als unteren Wert, versteht sich!“

Ein Einheimischer kam herein, wollte Brotzeit machen.

„Hallo, Gunther, sitz zu uns ran“, rief die Blonde.

„Jo mei, die Elli! Was macht´s ihr denn herunten, mitten aus der Saijson?“

„Alles wegen so eines Idioten aus München. Im Haus wurde ein Appartement verkauft, das von ter Veen, und der Bastard hat mir nichts davon gesagt. Jetzt mussten wir extra aus Hannover kommen, nur weil der Neue meint, er könne den Vertrag ändern“.

„Wie viele von den Wohnungen sind denn schon dein“?

„Noch vier, dann gehört die ganze Bude mir. Und ter Veen hätte so gut gepasst“.

„So? Ja, und ´s Madl, ist das krank?“

„Nur der Blutdruck. Der ist bei ihr wie bei einer Jungfrau“.

„Dann muss ´s Tropfen nehmen, sogar im Café?“

Die Junge versuchte abzuschwächen: „Was ist schon dabei? Ich bin wenigstens ehrlich, wenn ich meine Medizin coram publico nehme.“

„Weil das den Herren der Schöpfung so gefällt, wenn eine leidend ist. Weißt du, Gunther, da wir schon einmal hier sind, schauen wir uns gleich um, ob wir für Mona einen Mann finden.“

„So direkt brauchst du das nicht zu sagen, Mama.“

„Komm! Komm! Für dich wird es allerhöchste Zeit.“

„Aber …“

„Gunther, kannst du dir das vorstellen? Zehn Jahre lungert die Mona an der Uni herum, nur um ein miserables Examen nach Hause zu bringen?“

„Mama!“

„Sei still! Zehn Jahre, Gunther! Und hätte ich mit den Profs nicht Tacheles geredet, ich kenne die Brüder ja alle, noch heute ginge das so weiter. Ein Semester verbummeln, ein Semester krank feiern, ein Semester so tun als ob. Und in all dieser Zeit hat die liebe Mona es nicht geschafft, sich einen Dozenten zu angeln. Kannst du dir das vorstellen? Nicht einmal zu einem armseligen Doktor hat es gereicht. In zwanzig Semestern!“

„Mama! Bitte!“

„Es ist doch so, zum Donnerwetter!“

Ev kaute dazwischen: „Vielleicht ist die Mona für einen Professor nicht gescheit genug?“

„Sei du still!“ giftete Elli zurück.

Der Gunther, der mittlerweile ein Weißbier und Weißwürst´ vor sich stehen hatte, rülpste ein bisschen, so, wie er sich ein vornehmes Rülpsen vorstellte, und fragte: „Ja, aber so ganz so gar nichts wird die Ramona von Männern doch auch nicht verstehen?“

„Männer! Käsebengels, alle! Was Ordentliches schleppt die nie an. Und wir brauchen so dringend einen Aufreißer fürs PR! Gunther, du bist doch auch ein Geschäftsmann, sag, wie würde es sich machen, einen Professor oder einen Doktor auf dem Briefkopf zu haben?“

„Schon fein, da hast du recht, Elli. Pass auf, ich kenne einen in Wiessee, der kann nicht einmal einen Nagel in die Wand hauen, aber zweimal den Doktor hat er. Ob er weiß, wie ein Madl drunter ausschaut, das glaube ich nicht. An dem könnte sie ihre Kasbubenerfahrung anwenden. Vielleicht wär´s der Rechte. Was meinst, Mona?“

Die gab keine Antwort.

„Anschauen“, meinte statt der Tochter die Mutter.

„Zwei Doktortitel machen sich noch besser als einer. Stellvertretender Direktor könnte er werden, mit einem angemessenen Gehalt, unter der Bedingung, dass er seine Finger aus dem Geschäft lässt. Meinetwegen kann er sein ganzes Geld auf den Kopf hauen. Hauptsache, es steht DoktorDoktor auf der Headline. Mona, den nehmen wir!“

„Aber Mama, wenn …“

„Was wenn? Wir brauchen dringend einen Titel für die Firma, du brauchst dringend einen Ehemann zum Repräsentieren. Was du sonst mit ihm tust, ist unerheblich. Meinetwegen kannst du dich weiter mit deinen Jüngelchen amüsieren, aber sorge für einen Erben, bevor du zu alt bist. Alles andere ist egal. Gunther, bring den Kerl her“.

„Mama, jetzt reicht es wirklich! Es geht um mich und …“

„Es geht um die Firma mein Schatz, habe ich gesagt, da hat alles andere zurückzustehen. Oder glaubst du, ich wurde lange gefragt, ob ich deinen Herrn Erzeuger wolle? Es war damals wichtig für das Geschäft, das hatte zu genügen. Gunther, Mona nimmt den Doppeldoktor.“

„Nein, Mama!“

„Ramona, Schluss! Wenn du aufmuckst, sperre ich dein Konto. Dann kannst du für ein Paar Bohnen aus der Büchse deinen Klapperrippenboys die Schuhe putzen. Hast du mich verstanden? Ein Vermögen hat es mich gekostet, dich über das Abitur zu bringen, und zwei habe ich für dein Studium rausgeworfen. Jetzt bist du einunddreißig! Braucht es noch mehr Argumente? Gunther, sag du!“

„Ja, Elli, die Ramona, einfach, ich weiß nicht. Schau dir den Wiesseer erst einmal an.“

„O.K., schaff den Kerl bei. Und dann kommst du zu mir in die Wohnung. Siebzehn Uhr sagen wir. Du musst mir eine Rokokogarnitur in Ordnung bringen, die ich einem günstig abgeluchst habe. Schau sie dir an und mache einen Kostenvoranschlag. Wir fahren übermorgen nach Hannover zurück. Bis dahin muss alles erledigt sein, auch das mit dem Wiesseer. Capito?“

Gunther nickte.

Ev steckte das letzte Restchen ihres Frühstücks in den Mund.

Elli nahm die Serviette, packte das nur halb gegessene Käsebrot ein und stopfte es in ihre Tasche. Ramona wickelte das unberührte Schinkenbrötchen in Papiertaschentücher und schob es in ihre Jacke.

Die Bedienung kam ungerufen und legte den Verzehrzettel vor.

„Einen Beleg brauche ich“, rügte die Blonde. „Dass dieses Volk hier das nie begreift. Die Brotzeit von Gunther kommt mit drauf. Das sind Geschäftskosten. Haben Sie verstanden? Hier, sie können auf die Mark aufrunden.“

„Auswechseln müsste man das ganze Personal hier“, meinte die Brünette. Die Dunkle schwieg.

Wenige Minuten später fuhren die drei Damen in einem Mercedes davon, Karrierefrauen die Älteren, bereit, auch noch den letzten Einheimischen aus dem Tegernseer Tal zu vertreiben.

„Preißn!“ sagte die Kellnerin.

Gunther nickte.

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