Dr. Wolfgang Hubach

Es war ihr Lachen, das ihn damals so fasziniert hatte. Und sie zum Lachen zu bringen, war keine Kunst, denn sie war am ganzen Körper kitzlig.

Er hatte es genossen, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Lachen zu bringen, denn dann schmiegte sie sich fest an ihn, um ihm weniger Angriffsfläche zu bieten und aus dem Anschmiegen wurde meistens mehr.

Doch die Zeit eilt, die Gelegenheiten zum Kitzeln wurden weniger, sie hatte irgendwann einmal keinen Spaß mehr daran und ihm machte es keinen Spaß, wenn sie keinen Spaß hatte und es kam, wie es immer kommt, sie lebten sich auseinander. Aus Zuneigung war Gleichgültigkeit geworden, aus Gleichgültigkeit Abneigung und aus Abneigung eines Tages Hass. Und je mehr sie sich hassten, desto öfter kam ihnen der Gedanke, wie es wäre, wenn der andere nicht mehr da wäre.

Der Gatte, der sich von Zeit zu Zeit auswärts tröstete, erwischte seine ihm Angetraute im Park mit einem Mann, der mit ihr das Gänslein spielte, das mit einem Kribbeln in der Handfläche endet und das sie zu hellem, lange nicht mehr gehörten Lachen brachte.

Er stellte sie nicht zur Rede deshalb, ging ihr aber noch mehr aus dem Weg als sonst. Manchmal dachte er an Scheidung, aber er wusste, dann wären Haus und Hof verloren. Besser wäre es, einer würde sterben und der andere dafür erben.

Da sie nicht mehr die Jüngste war, strengte sie das Lachen immer mehr an, aber ihr Freund ließ ihr keine Ruhe. Eines Tages musste er sie mit Herzinfarkt aus einem Hotelbett in die Klinik bringen lassen. Die Reize waren für ihre Konstitution einfach zu viel gewesen.

Natürlich verständigte das Krankenhaus sofort den Ehemann. Der kam auch schnellstens und fand seine Frau unter einem Wust von Kabeln und Schläuchen versteckt

Warum ist sie nicht gleich gestorben, dachte er. Das wäre doch die beste Scheidung ohne Vermögensschaden. Er schaute auf den Monitor, sah die unregelmäßigen Zuckungen, die das stolpernde Herz anzeigten, und wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben, tasteten seine Hände unter der Bettdecke nach ihr, und er begann sie langsam zu kitzeln.

Ihr Lachen war eher ein Stöhnen. Sie bäumte sich auf, versuchte seine Hände weg zu schieben. Plötzlich sackte ihr Körper zusammen. Die Zackenlinie auf dem Bildschirm war zu einem geraden Strich geworden. Aus dem Überwachungsraum kam eine Schwester gerannt, versuchte zu reanimieren, ohne Erfolg.

Im Totenschein stand zu Recht „Herzversagen“.

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