Dr. Wolfgang Hubach

Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das gestehe, aber Sie waren in diesen Tagen sehr offen zu mir, ohne die Distanz zu überschreiten. Zwar kann ich mein Misstrauen nicht völlig abschütteln – entschuldigen Sie – aber das soll mir jetzt egal sein. Sie haben mich herausgefordert. Beginnen wir.

Mein Problem soll ich nüchtern analysieren, so wie ich es gelernt habe.

Bitte!

Betrachten Sie mich! Los, schauen Sie mich an: Jung, erfolgreich, vermögend, hoch gebildet. Sie können auch sagen: Fünfunddreißig, das heißt den Vierzig nahe; in leitender Stellung, das heißt, irgendwelchen Männern untergeordnet; Anteilseignerin, das heißt ein Goldfisch; promovierte Betriebswirtin, das heißt oft auch heute noch ein exotisches Monstrum. Dass hinter all dem ein Mensch steht, eine Frau, das interessiert nicht.

Am Tage macht mir meine Situation wenig aus, ich habe überhaupt keine Zeit zum Grübeln. Doch komme ich nach Hause, meistens spät, dann wartet niemand auf mich. Ich schleudere die Schuhe von mir, das tut den Füßen gut und meinem Gemüt. So sieht die Wohnung wenigstens nicht ganz wie eine Puppenstube aus, eine kostbare dazu, passend zu mir, dem Edelstein, dem kostbaren Diamanten, wie der Architekt damals schmeichelte, nachdem er sein Geld, aber nicht mich erhalten hatte. Diamant, sagte er. Strahlend, leuchtend, facettenreich, hart, kalt.

Verstehen Sie?

Sind die Schuhe weg, gehe ich eine Weile über die weichen Teppiche, ordne Blumen um, damit die Zugehfrau merkt, dass ich überhaupt da gewesen war. Manchmal versuche ich, mir eine Mahlzeit zu kochen. Meist fehlen Lust und Hunger dazu. Ein Glas Wein tut es dann auch. Muss es tun.

Irgendwann fällt die Müdigkeit über mich, und die Leere kommt, diese verzweifelte, unüberwindbare, schmerzende Leere.

Wissen Sie was ich mir dann wünsche?

Einen Hausmann.

Jemand, der mir die Tür öffnet, jemand, der mich in die Arme nimmt, wenn ich es brauche, und der mich in Ruhe lässt, wenn ich Ruhe brauche. Der den Tisch bereitet hat, ganz gleich, wann ich nach Hause komme, und der ihn einfach wieder abräumt, wenn ich nicht essen mag. Einen, der mir Mann sein kann und Mutter, Vater und Geliebter. Der sechzig Wochenstunden akzeptiert und Sonntage am Schreibtisch und der trotzdem da ist, wenn ich in ihn hineinkriechen will, in die Geborgenheit, die ich so ersehne.

Was wären die Folgen?

Beruflicher und gesellschaftlicher Tod.

Ich lebe in einer Männerwelt, habe einen Männerberuf, habe meinen Mann zu stehen. Da hat ein Hausmann keinen Platz.

Welches ist überhaupt das Niveau, das ich auf Grund von Bildung und gesellschaftlicher Stellung anstreben muss?

Fragen wir zuerst, wie das bei den Männern ist.

Ein Mann kann es sich erlauben, eine Frau zu wählen, die weniger gebildet, weniger reich, weniger fast alles ist als er. Hauptsache, sie kann repräsentieren und ihn bei seiner Karriere unterstützen. Steht sie ihm gleich, umso besser. Steht sie über ihm, siehe oben.

Von mir als Frau wird erwartet, dass ich zumindest gleichrangig wähle. Das bedeutet, ein Partner ohne Titel würde nur akzeptiert, wenn er weit über der Norm liegende Leistungen vorweisen könnte. Und trotzdem hieße es dann „Guten Tag, Frau Doktor, guten Tag, Herr … ehh…“.

Einen Mann, jünger als ich, aber mit den geforderten Eigenschaften, gibt`s höchstens in statu nascendi.

Bleiben Gleichaltrige oder Ältere.

Sie sprachen vorhin vom Kunstmarkt. Ziehen wir einmal einen Vergleich. Auch Männer sind wie Kunstwerke. Je höher ihr Wert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass das Objekt unverkäuflich ist. Kommt doch einmal ein seltenes Exemplar auf den Markt, ist der Preis im Allgemeinen so hoch, dass nur ein Zufall zum Erfolg führen kann. Und so wie die Marcs und Mackes auf Nimmerwiedersehen in den Museen verschwinden, verschwinden die akzeptablen Möglichkeiten in der Society, höchstens einmal auszuleihen, für besondere Gelegenheiten, hoch versichert, versteht sich.

Fazit: Ein Mann meines Standes ist kaum zu finden, ein Mann unter Stand wird nicht akzeptiert.

Was bleibt?

Ein Kind. Das würde man mir heutzutage zugestehen. Das hätte Sinn, ergäbe ein Ziel, das Erbe zu retten, zum Beispiel. Jedoch, wie lange kann ich diesen Wunsch noch hegen, mit fünfunddreißig? Und woher soll ich ein Kind nehmen, eines, das ich selbst geboren habe?

Es gibt für mich keine Probleme, wenn es darum geht, flüchtige Beziehungen aufzubauen. Darauf warten viele, bis in die Familie hinein. Doch keinem dieser Männer würde ich jemals auch nur das geringste Recht auf mein Kind einräumen. Soll ich künstlich empfangen? Ohne Wissen um die Identität des Vaters? Zur Nutzen-Kosten- noch eine Input-Output-Analyse erstellen?

Sagen Sie, was soll, was kann eine Frau in meiner Situation tun?

Was habe ich getan?

Sie schauen die ganze Zeit auf den Ring an meiner Hand. Ich trage ihn seit einigen Tagen.

Überrascht?

Betrachten Sie alles ganz nüchtern. Es gab per Saldo keine andere Wahl. Deshalb griff ich zu. Als sich mir die Gelegenheit bot, habe ich mich entschieden, habe sogar den Ring selbst gekauft.

Und nach unserem Gespräch weiß ich, dass es die falsche Entscheidung war.

Trotzdem, mein Herr, Sie haben keine Chance mehr.

Ich bin unauflöslich verheiratet.

Mit meiner Karriere.

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