Dr. Wolfgang Hubach

Der Mercedes bog ein, hielt auf dem Frauenparkplatz, die Lenkerin stieg aus und rannte Richtung Raststätte, den Leib verkrümmt, die Hände auf den Bauch gepresst.

Offensichtlich war es für sie höchste Zeit, eine Toilette zu finden.

In der Hast hatte sie sogar den Zündschlüssel stecken lassen.

Ein Junkiepärchen, das an der Imbissbude herumlungerte, beobachtete das ganze. Die beiden sahen sich an, schlenderten langsam auf den Wagen zu, sie schlüpfte auf den Beifahrersitz, er hinter das Steuer, startete und fuhr los, nicht auf die Autobahn, sondern den schmalen Asphaltweg hinter der Rastanlage hinunter, über den normalerweise die Küche und der Kiosk mit Waren versorgt werden.

Vorsichtig und leise ließ er das schwere Auto bergab rollen.

Unten angekommen, bog er auf die sich in zahllosen Kurven durch das Tal windende Landstraße ein.

Jetzt löste sich die Spannung.

„Wir werden reich!“ schrie der Mann, und begann mit dem Steuer zu spielen, ließ den Wagen Wiener Walzer tanzen.

„Wir werden reich! Tausende muss Yüksel uns bezahlen! Tausende, sag’ ich!“

Und sie schrie dagegen: „Jede Menge Stoff, dann ab in den Süden, wo es warm ist! Uns geht’s gut! Uns geht’s gut!“

„Yüksel muss uns ein Vermögen dafür geben! Bis morgen hat er die Karre so umgemodelt, dass er zig Tausende dafür verlangen kann! Da muss für uns ein dicker Brocken abfallen!“

Plötzlich hörten sie Laute von der Rückbank.

Durch das Geschrei oder durch die walzerseligen Bewegungen war das Kleinkind wach geworden, das dort in einer Transportschale geschlafen hatte und nun zu weinen begann.

„Was ist das, verdammt noch mal?“ rief der Mann.

Die Frau drehte sich um, kniete auf ihren Sitz und schaute nach hinten.

„Da liegt ein Baby im Kindersitz!“

„Verflucht noch mal, schmeiß es raus!“

„Bist du verrückt?“

„Schmeiß es raus, sag ich!“

„Raus schmeißen? Weißt du was das bedeutet? Ein Auto klauen gibt Bewährung. Ein Kind entführen mindestens 10 Jahre. Und für Mord gehst du lebenslänglich rein. Willst du das?“

„Schmeiß es endlich! Wer will denn herauskriegen, dass wir es gewesen sind? Daneben fließt ein Bach, schmeiß es rein und fertig!“

„Nie und nimmer!“

Da reckte er sich, um nach hinten zu greifen. Durch die Straffung des Körpers drückte unwillkürlich der Fuß stärker auf das Gas. Der Wagen wurde schneller.

Sie wollte ihn abwehren, griff nach seinem Arm, um ihn festzuhalten.

Eine scharfe Kurve führte unter einer Eisenbahnbrücke hindurch. Da er das Steuer nur mit einer Hand hielt, konnte er nicht mehr rechtzeitig reagieren.

Der Wagen knallte in voller Fahrt gegen den Brückenpfeiler.

In diesem Augenblick kam von vorn ein Feuerwehrauto von einem Einsatz zurück.

Sofort leisteten die Männer erste Hilfe, sicherten die Unfallstelle, bargen die Verunglückten aus dem Wrack.

Als die Polizei eintraf, war alles schon geregelt.

Der Feuerwehrkommandant rapportierte Folgendes:

„Wir sind unmittelbar nach dem Unfall hier vorbei gekommen.

Meine Männer waren sofort im Einsatz.

Sie sicherten den Unfallort und bargen die Verunfallten.

Beide waren nicht angeschnallt.

Die Frau lebte noch, starb aber auf der Straße.

Der Mann war sofort tot gewesen.

Dem Kind der beiden ist nichts passiert, weil es ordnungsgemäß in einer Transportschale gelegen und ordnungsgemäß angeschnallt war.

Ich habe bereits beim Wichernheim angerufen.

Bis zur Klärung der Zuständigkeit nehmen die das Baby der Verunfallten in Pflege.“

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