Dr. Wolfgang Hubach

Es war schon ein seltsames Brautpaar. Das Mädchen, braungebrannt, im auf die Haut geschneiderten, tief ausgeschnittenen Weißen, auf dem Kopf eine Art Yul-Kranz aus rosa Moosröschen und Schleierkraut, in der Hand das dazu passende Biedermeiersträußchen, um die Hungertaille einen breiten Gürtel mit bunten Pailletten, an den nackten, staubigen Füßen hochhackige Riemchenschuhe. Er, vollbärtig, im Dunkelblauen, mit rosagrundiger Krawatte, die schlampig geknotet unter dem weit geöffneten Kragen krumpelte, an den Füßen weiße Socken und braune Sportschuhe, am Bauch eine Kette mit Silbertalern, die gegen das Stahlarmband klickten, wenn er versuchte, sich an sich selbst festzuhalten, weil seine Beine ihn nicht mehr tragen wollten.

Zwei Männer in grauen Trachtenanzügen, das Hemd offen bis zum Gürtel, stolperten dem Paar hinterher. Ihre unsicheren Tritte pflügten den Kies.

Die Gäste auf der Terrasse starrten. Tassengeklirr, Besteckgeklapper, Lachen, Geplapper – wie weggeschnitten. Nur das Geschlurfe der Neuen war zu vernehmen. Die Geräusche aus dem Hotel, ein auf der Straße vorbeifahrendes Auto, die Möwenschreie, das Schiff, das sich dem Ufer näherte, sie schienen einer anderen Welt anzugehören.

Der Braut war diese Aufmerksamkeit unangenehm. Sie strebte schnell einem Tisch in der Ecke zu. Das Scharren der Gartenstühle, das Ploppen, das entstand, als die Männer sich auf die Sitze fallen ließen, die Frage eines Kindes, ob das dort ein Engel sei, riss die Unwirklichkeit auf. Es klirrte wieder, Bestecke klapperten, vereinzelt wurde gelacht, böse, gehässig, anzüglich. Dazu Getuschel – Getuschel und gierige Blicke.

Von der Kellnerin werden vier Maß gefordert, die Bestellung wird dem Mädchen noch einmal nachgeschrien. Johlen. Der Bräutigam spießt mit einem Hirschfänger einen Hunderter an den Baum. Das Bier kommt, die schmale Gestalt der Frau verschwindet fast hinter dem massigen Krug. Mit viel Lärm wird ihr von den Männern immer und immer wieder zugeprostet.

Jetzt erhebt sie sich, geht zu einem entfernten Tisch, begrüßt Leute, plaudert verlegen, kommt auf dem Rückweg an meinem Platz vorbei. Feine Spinnen um die Augen, angekerbte Mundwinkel zeigen, dass sie älter ist, als sie sich gibt. Ihr Blick sucht den Gast mir gegenüber. Ohne aufzuschauen sagt der: „Und für das hast mit mir Schluss gemacht!“

Ihr Mund presst sich zusammen. Aus Kerben werden Falten, die Augen starren abweisen, leer. Langsam kehrt sie zu ihrem Tisch zurück, löst den Geldschein vom Baum, bezahlt und geht. Die Männer schimpfen. Protestieren. Torkeln ihr nach.

Der Herr an meinem Tisch war gegangen. Ich hatte es nicht bemerkt.

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