Wolfgang Hubach
Die Psychographie eines Dorfes, das sich Stadt nennen darf, – Weiler.
Ein Fragment.
„Weiler“ war, nach „Im Hinterteil des Schwanen“ und „Mausfalléri“, als Abschlussband der Herrsheimer Trilogie geplant. Leider sind mir meine Informanten innerhalb kürzester Zeit weggestorben, die jüngeren durch einen tragischen Unfall. Da sowohl im Ort als auch in den Nachbardörfern niemand mehr gefunden werden konnte, der bereit gewesen wäre, mitzuarbeiten, musste ich die Arbeit im Städtchen einstellen, denn die Weilerer sind so von sich eingenommen, dass sie alles, was von außen kommt, gar nicht wahrnehmen wollen. „Was gestern war, interessiert keine Sau mehr und was heute oder morgen passiert, geht keine Sau was an“ lautet eine ihrer vielen derben Parolen. Und derb sind sie, besonders die Weilerer Männer, und dies nicht nur nach Meinung ihrer Frauen, die sie für aufgeblasene „Schiergarbeihnahauchebbes“ 1 halten, wie sie offen zugeben. Was dann jene von ihren Weibern halten, sagt einer ihrer Lieblingssprüche aus: „Weibersterben, kein Verderben. Gaul verrecken großer Schrecken.
Derartige Beispiele gibt es noch viele.
Das Zusammentragen tangierender Beiträge war auch nicht möglich, weil die Menschen in den umliegenden Dörfern, besonders jene, die, wie schon gesagt, in einem der Orte wohnen, die inzwischen zur Verbandsgemeinde Weiler gehören, auf die Affen in der Stadt gar nicht gut zu sprechen sind. Recht drastisch und städtchengerecht urteilen sie über die Weilerer, und es ist nicht zu übersetzen, was sie über jene sagen: Wenn die Weilerer so Arschlöcher wären wie sie Arschlöcher sind, könnt’ mer durchfahren mit der Eisenbahn.
Ich musste mich damit abfinden, dass es keinen dritten Band mehr geben würde.
Zunächst wollte ich die bereits gesammelten Beiträge einfach liegen lassen. Dann gab es die Überlegung, wenigstens die als Kurzgeschichte geeigneten Teile zu veröffentlichen. Nun habe ich mich entschlossen, die Geschichten als Fragmente mit ins Netz zu stellen.
Ich hoffe, dass auch diese Form der Veröffentlichung Aufmerksamkeit erwecken wird, denn es handelt sich, wie bei den vorher genannten zwei Teilen, letztlich um Zeitgeschichte vor Ort.
Wo Weiler liegt, wollen sie wissen? Irgendwo zwischen Weinsheim und Weinheim, zwischen Kirrlach und Kirrweiler.
Weilerer Sprüch
Erst kommen mir, dann lang, lang nix, dann ein Haufen Mist und dann erst alle anderen.
Was interessiert mich Rom, wenn ich kein Haus dort hab’.
Aus einem Pfennig wird seiner Lebtag keine Mark.
Solange man mit Ochsen reden kann, kann man’s auch mit den Leut.
Heut ist Kerwe, und heut spielt die Musik, und die nächst Tour Francée.2
Deeringler bleibt Deeringler und wenn er dir hinten reinschluppt.3
’s gibt Kathollische und Kathoolische und ’s gibt Protestantische und Evangeelische und wenn man die Kathoolische und die Evangeelische in einen Sack steckt und in den Rhein schmeißt, dann tut man ein gut‘ Werk, und das ist keine Sünd‘, weil denen ja nix passiert, denn die Sorten schwimmen immer oben, bloß, wir wären sie los!
Von außerhalb heißt es über die Bewohner:
Die Weilerer saufen und achielen,4
dass selbst ihr Magen ist voll Schwielen.
Die Weilerer haben zwei Mägen, aber kein Herz,
Die Neuherrsheimer haben zwei Herzen, aber keinen Verstand,
Die Altherrsheimer sind nicht vorne wie hinten,
hinten wie vorne sind nur die Blinden.5
Prolog
Warum fragst du denn uns nicht und immer bloß die Alten?
Die mit ihrem ewigen Krieg und was sie geleistet haben!
Das ist uns doch egal, ob die für den Hitler waren oder für den Papst!
Das sind doch alles bloß tote Leute!
Die sind so tot wie der Napoleon!
Damals haben doch alle bloß – ich sag’s net.
Immer bloß Marschieren!
Zack, zack!
Auf! Marsch, Marsch!
Idiotisch ist das!
Ich habe verweigert,6 Zivi7 beim Arbeitersamariterbund gemacht.
Meine Alten sind schier ausgeflippt, weil ich nicht zum Heiligen Verein8 oder wenigstens zu den Rotkreuzlern bin.
Das bleibt sich doch alles egal!
Wenn von denen einer sein Auto um einen Baum wickelt, fragt doch keiner mehr, wer ihm das Hirn von der Rinde kratzt!
Ob Rotkreuzler, Heiliger oder wir, gekotzt haben wir dabei alle!
Die sollen bloß!
Und ihr Deppen schreibt nie, was mit uns ist.
Wir sind euch doch egal, außer, es macht mal einer Dummheiten.
Dann regt ihr Euch auf!
Aber sonst interessiert euch doch nur, was die Alten quatschen!
Und dann schreibst du auch nur, was dir passt.
Ich kenne euch doch, vom Einsatz.
Nie schreibt einer, wie’s war, nur wie’s hätt’ sein sollen!
Hau ab und verpiss dich!
Deutsch
Ach Gott, von früher, wer will davon noch was wissen!
Überhaupt, bei uns waren doch nur ein paar Juden und die meisten waren auch nicht reicher als wie mir und von uns war kaum einer reich.
Der Viehhändler, der hat mehr gehabt, und der Katzuff,9 der hat Kundschaft gehabt von allen Sorten, und der Weinjud, der hat als Kommissionär überall mitverdient. Wenn er verdient hat! Bei den schlechten Zeiten damals.
Sie sind fast alle gleich weg, sellemols, haben schnell verkauft und sind weggegangen, weil sie einer gewarnt hat, ein Öberster aus Berlin, und der hat’s wissen müssen.
Bloß der Deutsch war stur.
Der war bis dreiunddreißig Bürgermeister gewesen. Außerdem war er Veteran, drei Tage verschütt vor Verdun und Kriegskreuz und so. Ihm kann nix passieren, hat er immer gesagt. Außerdem, wo hätt’ er hin sollen mit seiner Sanne?10 Es war nur die eine Tochter da, und die war dappisch. Längst groß, über 20 schon, aber nicht einmal sauber! Die Mutter hat sie müssen waschen und Windeln anlegen, sagt man.
Und das wichtigste, bei ihm im Haus war der Beetsaal, den hat er hüten müssen für die in den Dörfern rundum, die vielleicht bleiben haben wollen, und vor allem für die, die wieder kommen haben wollen, wenn alles vorbei ist. Wo sollten die dann beten?
Zwar haben viele nicht mehr bei ihm gekauft, vor allem die, die wo bei ihm im Schuldenbuch waren. Auch hat sich kaum mehr einer durch die Vordertür getraut, aber im Dunkeln durch den Garten ist das Geschäft noch ganz gut gegangen.
Dann haben sie auf einmal gemunkelt, die Bonzen aus Berlin, die wo vielleicht vorbeikommen, weil vielleicht gebaut werden sollte an der Grenze. Da passt der Deutsch nicht mehr hierher.
Die SA11 hat sich deshalb was ausgedenkt, aber weil die meisten, die wo dabei waren, aber nichts Unrechtes haben machen wollen, ist gleich alles durchgesickert. Auf einmal haben nur noch viere mitmachen wollen, die anderen waren über Nacht alle krank oder haben dringend was schaffen müssen. Am Sonntag, während der Kirche, haben drei es dann wirklich gemacht, zusammen mit einem von der HJ12, einer von den Kellybankerten. Die haben die Deutschs morgens kurz nach halb Zehn auf den Markt getrieben, ihn mit seiner Sanne und der Hedel13 und außerdem die Berthale. Die war aber eine halbe Goje14 und hat Kelly geheißen wie der Rotzer auch, weil, sie war von ihm sogar eine Tante. Die wollten sie auch los haben, weil ihr Häusel im Weg war, am Ende von der Obergasse, weit in die Fahrbahn rein, weil dort früher das Feld angefangen hat. Das Gelump hat müssen weg, um die Adolf-Hitler-Straße breit zu machen, für die Bonzen, falls sie kommen. Die vier armen Leutchen haben am Brunnen auf dem Platz gestanden, die vier in Uniform davor.
Die, wo nicht in der Kirche waren, die haben hinter den zusammengestellten Fensterläden vorgespitzelt. Ich auch, deshalb weiß ich alles ganz genau, weil, ich war im Kindbett und alles, was passiert, muss sich die Mutter merken, weil’s sonst aufs Kind schlägt. Deshalb weiß ich alles noch wie heut’!
Da waren also die vier armen Leutchen und die andern vier davor und wer gekonnt hat, hat hinterm Laden geguckt.
Die Kirchetür war offen, weil’s warm war und weil alle was geahnt haben. Die Leut’ haben gesungen: Harre meine Seele. Das war aber das Konfirmandenlied von der Berthale gewesen. Also fängt die plötzlich an mitzusingen. Ganz deutlich war’s die Berthale, weil sie mit ihrer alten Stimme so schepprig geklungen hat.
Wenn alles bricht,
Gott verlässt dich nicht.
Größer als der Helfer
Ist die Not ja nicht.
„Ruhe!“ haben die in der Uniform gebrüllt, aber die Berthale hat weiter gesungen, so, wie sie’s von der Kirche her gewohnt war. Da holt der Kelly aus und fetzt ihr eine, und dabei war sie doch seine Tante! Die Berthale fält mit dem Kopf auf den Trottoirrand und war hin!
Da haben die aber Schiss gekriegt!
Der eine ist ins Wirtshaus gerannt, wo der alte Doktor beim Frühschoppen war. Der ist her gerannt und hat geflucht wie ein Mannemer15 Sackträger, aber es war nichts mehr zu machen.
Jetzt, wo alle tot sind, kann ich’s ja sagen. Der Doktor war der Vater vom alten Apotheker. Der hat sein Auto rübergeholt und die Deutschs schnell eingeladen und hat weitergeflucht, weil die Sanne sein Lederpolster versaut hat, weil sie wieder hat das Wasser nicht halten können.
Dann ist er weggefahren, er vorne drin wie der Chauffeur und die Deutschs hinten wie die Herrschaften. Ob sie beim Deutsch daheim noch einmal rein sind, weiß ich nicht. Die einen sagen so, die anderen sagen so.
Jetzt, ich weiß nicht, war’s Zufall oder war’s Tageslosung, ich weiß nicht, auf jeden Fall, bevor die abgefahren sind, hat man den Pfarrer gehört in der Kirche:
„Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein!
Und du sollst den Herrn, deinen Gott lieb haben
Von ganzem Herzen, von ganzer Seele
Und mit aller deiner Kraft!“16
Das vergess’ ich nie, ich hab’s sogar noch schnell aufgeschrieben, wegen dem Kind, und man weiß ja nie!
Und alle haben’s gehört und alle haben’s kapiert, was es soll.
Und der Deutsch hat den Hut gezogen und die in der Uniform sind rumgerannt wie närrische Hühner.
Wie gesagt, die Berthale haben sie heimgetragen in ihr Häusel und der Doktor hat die Deutschs fortgefahren, obwohl er NSKK-Führer17 war, und alle haben Schiss gehab, vor allem der Kelly, weil, er war ja noch, bevor sie die Fenster kaputt geschmissen haben,18 anderswo.
Außerdem, es war doch grad die Olympiade in Berlin,19 und da sind doch sogar noch Juden für uns mit gerannt!
Und jetzt das!
Außerdem, es war doch der Newman da mit seinem Neger, der hat früher Neumann geheißen, bevor sie von hier ab sind, und der war mit der Deutsch Hedel verwandt und der war Zeitungsmann und hat sollen in Amerika berichten, wies Volk die Olympia erlebt.
Und der Neger soll knipsen.
Und der hat auch geknipst!
Ich kann dir sagen, da war vielleicht der Teufel los!
Es ist sogar zu einem Prozess gekommen, aber weil der Deutsch ganz schnell verkauft hat, in dem Haus ist heute die Obere Apotheke, falls dir das was sagt, weil der schnell verkauft hat und ab ist in der Nacht durch den Pfälzerwald ins Lothringische über den Zeppelin.20 Weil dort Verwandte waren, in Bitsch, und so ist es gar nicht mehr zu einem richtigen Prozess gekommen, überhaupt, wo der Deutsch doch noch verkauft hat vom Lothringischen her und wo der Newman wieder fort war in Amerika.
Also, wie gesagt, haben die Deutschs über den Zeppelin gemacht und es heißt, der alte Doktor hat sie sogar selber bis dorthin gefahren.
Wie sie die Berthale begraben haben, war bloß der Pfarrer da mit seiner ganzen Familie und die Presbyter, auch die, wo in der Partei waren, und der Newman mit seinem Neger mit seinem Photoapparat. Wies Zusammenläuten fertig war, hat der Katholische während der ganzen Leich läuten lassen.
Die andern im Ort sind alle daheim geblieben, um keinen Ärger zu kriegen, denn wem hast noch trauen können? Aber am andern Morgen war das ganze Grab mit Blumen zu, keine Kränze, aber meterhoch Sträuße, Strauß über Strauß. Ich hab’ gleich zwei hin, wegen dem Kind, denn das war ja noch nicht getauft und man weiß ja nicht, was da hätte passieren können!
Und der Newman hat alles photographieren lassen. Da ist vielleicht einigen der Arsch gegangen!
Der Bürgermeister damals, er ist im Krieg dann noch als Volksturmmann gefallen, der war offiziell nicht beteiligt. Er hat aber ganz schnell das Häusel von der Berthale abreißen und die Obergasse neu pflastern lassen, für die Bonzen, die dann gar nie da waren, weil sie im Zug vorbeigefahren sind.
Am Ortsrand hat er dann 38 ein Schild aufstellen lassen.
Mein Fritz hat’s damals photographiert, aber das Bild ist nicht mehr da sonst tät ich dir’s zeigen. Aber ich weiß noch, was drauf gestanden hat und wie.
Guck, ich schreib dir’s auf.
So war’s:
DIESER ORT IST JUDEN FREI.
DER BÜRGERMEISTER.
Gez: ABRAHAM
München, den 16. Nov. 1992
Sehr geehrter Herr Doktor.
Bezugnehmend auf unser gestriges Telephongespräch, habe ich mich doch noch entschlossen, Ihnen zu berichten, was für Sie von Interesse sein könnte, auch wenn es anfangs nichts mit Ihnen zu tun hat. Entscheiden Sie selbst, was Sie verwenden können, von dem was ich Ihnen berichte. Wie abgesprochen nenne ich keine Namen.
Mein Vater war Kommunist, was mir aber erst nach dem Krieg klar geworden ist. Nach dem 1. Weltkrieg ging er für 10 Jahre nach Luxemburg, um im Bergwerk zu arbeiten. Dort bin ich geboren. 1938 war sein Vertrag abgelaufen und er musste zurück nach Deutschland. Kaum richtig zu Hause, nahm man ihn in Schutzhaft. Nach einem halben Jahr kam er zurück. Er nahm meine Mutter und mich und zog nach Bayern. Dort arbeitete er wieder im Bergwerk.
In Bayern bin ich in die Schule gegangen. Dort wurde ich für die Zukunft des Reichs erzogen. Damals kamen oft Männer in unser Haus. Davon habe ich erzählt, als ich die Großeltern besuchte. Viel konnte ich nicht sagen, nur, dass Leute kommen und im Schlafzimmer verschwinden. Drei Tage später hat man meinen Vater abgeholt und andere auch. Gelegentlich kam Post aus Oberschlesien, später aus Polen. Nach Hause kam er nicht mehr. Ich war inzwischen Pimpf geworden, stieg rasch auf im Jungvolk und in der HJ. Ich war oft in Schulungslagern, meist dort, wo die Elite geschult worden ist. 1944 zog man mich zur Waffen-SS ein.
In den letzten Kriegstagen war ich in der Nähe von zu Hause. Dort wurde ich bei einem Fliegerangriff verwundet. Ich kam in ein Feldlazarett. Ich habe dort am Hang gesessen, als ein Zug Gefangener vorbeizog, nur Haut und Knochen. Erst später habe ich erfahren, dass es die Häftlinge von Dachau waren, die man vor den heranrückenden Amerikanern in Sicherheit bringen wollte. Mitten in der Gruppe war mein Vater. Ich habe ihn nicht gesehen, er mich in meiner Uniform auch nicht. Dann wurden wir überrollt und die Amis prügelten erst einmal alles erbarmungslos zusammen, was nach Wachpersonal oder SS aussah, verwundet oder nicht. Viele wurden gleich erschlagen oder erschossen. Viele starben an den Folgen. Ich kam auf Dauer Schwer Beschädigt davon. Deshalb wurde ich bald aus der Gefangenschaft entlassen. Zu Hause war alles anders geworden. Vater und ich waren Krüppel. Vaters Freunde waren verschleppt oder in den letzten Tagen noch aufgehängt worden, so wie mein Großvater, der Vater von meiner Mutter. Die Amerikaner waren vorgerückt und dann plötzlich den Rückzug angetreten. Die SS ist zurückgekommen und hat kurzen Prozess gemacht mit denen die sich zu erkennen gegeben hatten und die aufgehängt. Mutter hat oft nachts geschrieen weil sie träumte, sie sieht die Erhängten und den Großvater dazwischen. Wir sind deshalb weggezogen. Mein Vater arbeitete dort noch einige Jahre als Wachmann in der Grube.
Jetzt fragen Sie sich bestimmt, was das alles mit Ihnen zu tun hat.
Anfang der 50er Jahre waren Urlauber hier von daheim. Die haben Vater getroffen. Sie waren ganz überrascht, weil er nicht wusste, wer ihn immer wieder denunziert hat. Es war der damalige Bürgermeister gewesen, sein leiblicher Bruder.
Ich glaube, jetzt werden Sie verstehen.
Hochachtungsvoll.
Wie abgesprochen, unterzeichne ich den Brief nicht.
Bitte wenden.
NS Ich habe den Brief noch einmal durchgelesen und merke, dass mir leichter geworden ist. Trotzdem sage ich nicht auf Wiedersehen, denn ich bitte Sie, die Sache jetzt ruhen zu lassen. Was Sie mit dem Inhalt machen, geht auf Ihre Verantwortung.
Bitte verzeihen Sie die Tippfehler, ich bin nicht geschult.
Kapitulation
Wie ich den Krieg kapituliert hab’, das war so.
Ich war beim Jungvolk und vom Volkssturm als Späher im Glockenstuhl vom Kirchturm auf unserer Kirch’, weil der höher ist als wie der katholische.
Rundum war Kampf.
Unsere waren in den Haßbacher Wingert verschanzt und noch 10 Amipanzer abgeknallt.
Ja, ich sitz’ dort und wart’, dass der Feind vor die Flint’ kommt, da rasseln die von hinten über den Platz der SA,21 das ist der mit dem Brunnen damals, und was sag’ ich, es waren die Ami!
Da hock’ ich dann mit meiner Uniform und der Volkssturm war fort!
Jetzert aber war’s Elfe und Elfläuten ist bei uns, die Katholischen läuten Mittag.
Kein Pfarrer war mehr im Ort, aber die Kätthel hat’s gemacht, jeden Tag, ob Fliegeralarm oder sonst was war, sie hat’s gemacht.
Jetzert aber war’s Elfe, überall Ami, alle Leut’ im Keller oder im Bunker, überall noch Schießerei.
Ich lins’ durch die Jalousie und wer kommt aus ihrem Haus?
Die Kätthel!
Ein Neger brüllt, sie plärrt zurück und geht weiter.
Ich hör’ den Krach, der Neger brüllt weiter, die Kätthel kreischt, dann geht’s Schloss, dann geht die Tür, dann ruckt’s und die einzig’ Glock’, die noch da war, die fängt an zum Elfeläuten.
Jetzert schleich’ ich mich weiter runter und spitzel durch das Geländer.
Und was seh’ ich?
Hängt der Bimbo am Glockenstrang und zieht und lacht und die Kätthel steht dabei mit der MP im Arm und passt genau auf, dass bloß kein Schlag zu wenig kommt.
Überdem kracht’s!
Da knallen doch unsere noch den Gockel von der Spitz’!
Und der fliegt runter, direkt in den Jeep von dem Neger!
Zum Glück war der nicht drin, aber mitgenommen hat er ihn.
Jetzert hab’ ich Angst gekriegt und bin los in der Uniform.
Bis der Neger geguckt hat, war ich drauß’.
Und was war?
Sitzen auf der Kirchentrepp’ die paar vom Volkssturm und zwei von uns vom Jungvolk und zwei Ami davor im Anschlag.
Die haben vielleicht geguckt, wie ich da raussauß’!
Bis ich mich umguck’, hat mich einer am Halstuch, reißt mir den Knoten, die Schnur und den Winkel22 ab und jagt mich zurück auf die Trepp’.
Jetzert kommt die Kätthel raus mit ihrem Mohrenkopp, der sagt was und geht dann mit uns drei Buben mit zu der Kätthel.
Und was macht die?
Kocht Supp’ für uns all’!
Dann hat der Neger unsere Uniformen beschlagnahmt und hat uns in Unterhosen heim gejagt.
Drauß’ aber war ein Weißer.
Der hat uns gleich geschnappt und uns für Wochen ins Lager überm Wald.
Hier im Ort war’s noch tagelang hin und her mit dem Krieg.
Wir haben davon nix gemerkt.
Für mich war der Krieg nach dem Elfeläuten vorbei.
Mathematik
Sehr geehrter Herr Professor.
Ich habe Sie im Radio gehört, dass es ein Problem ist, die Quaddradur des Kreises zu machen. Nachdem ich mich informiert habe, was die Quaddradur des Kreises aussagt, habe ich für Sie die Lösung gemacht.
Meine Frau ist aus der Ostsee und kann splissen. Ich habe sie befohlen, mir aus dicker Wolle einen kreis zu splissen von genau einem Meter Länge Umfang. Sie hat es gemacht, leider aus roter Wolle, weil sie hat sonst nichts dickes. Dann habe ich folgendes Experement gemacht.
Ich habe im Garten einen Meter Sand ganz glatt gerecht. Dann habe ich den Woll Kreis hineingelegt. Dann habe ich ihn quaddradich gezogen auf allen vier Seiten.
Beim nach Messen musste ich die Erkenntnis machen, dass die Quaddradur nicht überall Milimeter genau war.
Meine Frau hat gesagt, dass ich spannen muss. Da bin ich von dem Meter Sand weg und habe sie an die Stalltür genagelt. Jetzt hat die Quaddradur Milimeter genau gestimmt.
Meine Frau hat gesagt, sie hat an den Ecken so Rundungen. Das stimmt, weil ein Nagel rund ist.
Da habe ich mir Krampen machen lassen, die sind exakt genau vier Eckig und den Kreis darüber gespannt. Meine Frau hat gesagt, jetzt sind ihre Rundungen Eckig und Milimeter genau gespannt.
So habe ich die Quaddradur des Kreises für Sie gelöst, Herr Professor.
Ich habe aber noch ein Experement gemacht, in dem ich drei Krampen Milimeter genau auf drei Winkel gefeilt habe und in die Stalltür geschlagen.
So habe ich Ihnen ein Problem gelöst, das Sie noch gar nicht gekannt haben.
Das Ergebnis schenke ich Ihnen, die drei Eckige Quaddradur des Kreises.
Hoch Achtung
Fritz Klug.
Russenweib
Bin ich in deutscher Heimat gekommen, weil ich nicht mehr kann leben in Kasachstan, weil Leute dort sage, geh weg, Faschistoij, wir brauchen dein Haus.
Bin in deutscher Heimat gekommen, sagen Leute, Russenweib, warum nicht bleiben in alter Heimat wo viel Platz und hier kein Haus?
Bin ich gekommen, weil nicht mehr kann leben als Faschistoij in Kasachstan.
Bin ich gekommen mit Studium für Ökonomie und Computer, sagen Leute, Diplom nix gut, noch einmal lernen.
Bin ich Deutscher Heimat gekommen, um Schule zu gehen?
Bin ich gekommen Mutter mit zwei Kinder und Mann?
Müssen alle lernen noch Marktwirtschaft und Kaufvertrag und Steuer.
Aber muss ich lernen in Schule?
Mit Diplom?
Bin ich in Deutscher Heimat, muss ich machen Vertrag mit Fabrik.
Gleich arbeiten mit Computer, wie andere auch.
Soweit, so gut.
Vielleicht besser, bloß weniger Geld.
Chef sagen, warum nicht geblieben in alte Heimat?
Russen brauchen Spezialist wie du.
Ich fragen Deutschland nicht brauchen Spezialist?
Chef sagen ja, aber Russland mehr brauchen Spezialist.
Wenn das wahr, warum dann fortgejagt aus Kasachstan?
Wenn das wahr, warum dann Russland sagen, nur Russen kommen aus Kasachstan, keine Faschistoij.
Bin ich in Deutscher Heimat gekommen, weil ich nicht kann leben mit Jesus Christus in Kasachstan.
Bin ich in Deutscher Heimat gekommen, sagen Leute, wer sind Jesus Christus?
Gestern Kinder schreiben Arbeit in Religion.
Schreiben nicht von Jesus Christus, schreiben von Drogen und Aids.
Mache ich Telefon mit Herr Pfarrer.
Frage, warum schreiben von Drogen und Aids und nicht schreiben von Jesus Christus?
Herr Pfarrer sagen, muss so schreiben, steht in Plan.
Muss ich verstehen.
Wie muss ich verstehen, wenn alle schimpfen auf Planwirtschaft aber Schule muss machen Planwirtschaft Drogen und Aids und nicht mit Jesus Christus?
Sagen Herr Pfarrer Seelsorger.
Wo ist Seele in Drogen und Aids?
Herr Pfarrer sagen, ich muss noch verstehen.
Was verstehen?
Kann nicht verstehen, was verstehen.
Lehrer sagen in Schule, Russland zurückgekommen zu Jesus Christus Abendland.
Wo ist Jesus Christus Abendland wenn nur Kirche bauen in Kasachstan was ist Moschee?
Wo ist Jesus Christus Abendland wenn in Deutscher Heimat nur Kirche gebauen was ist Moschee?
Habe gesehen in Pforzheim.
Kenne aus Kasachstan, was ist, wenn nicht bauen Kirche, wenn gebauen Moschee.
Wenn gebauen Moschee, dann alle müssen fort.
Nicht nur Faschistoij, auch Russen.
Kasachstan nix Jesus Christus Abendland!
Wenn in Deutscher Heimat nur gebauen Moschee, und die sagen geh weg, Faschistoij, wir brauchen dein Haus.
Wo gehen hin?
Auf Mond?
Ich Lehrer fragen, sagt kein Wort.
Vielleicht schon Angst.
Jetzt fragen, bin ich in Deutscher Heimat gekommen, aus alter Heimat fortgejagt, bin ich gekommen, dass wieder fortgejagt?
Bin ich in Deutscher Heimat gekommen zu Jesus Christus und Jesus Christus auch fortgejagt?
Soll ich zu Kinder sagen, Jesus Christus nicht Weg und Wahrheit und Leben, Wahrheit und Leben ist Aids?
Kannst du mir sagen, hä?
Wenn so ist, dann Stalin besser meine Mutter tot machen und ich nicht da.
Dann Leute in Weiler nicht müssen sagen, Russenweib, warum nix bleiben in Kasachstan?
Bauernregeln
Bekanntmachung
Die Mutterkuhprämie kann zwischen dem 1. und 30. April von landwirtschaftlichen Unternehmern/-innen als natürliche oder juristische Personen, die Rinderhaltung betreiben, bei der Kreisverwaltung beantragt werden. Die Prämie pro Mutterkuh beträgt 224,- Mark. Die Prämie wird nur für mindestens drei Tiere gewährt. Sie sind in einer Ohrmarke nach Vorschriften der Viehverkehrsordnung zu kennzeichnen. Außerdem ist ein Bestandsverzeichnis zu führen. Es wird darauf hingewiesen, daß nur solche Mutterkuhhalter einen Antrag stellen können, denen Prämienrechte zugeteilt wurden.
Antragsformulare und Merkblätter für diese Maßnahme können bei der Verbandsgemeindeverwaltung, Zimmer 363, Herr Ochs abgeholt werden.
Boomtime23
Anlage B I
HEADQUARTERS
Heidelberg Military Post
Apo 403 US Army | |
Adj 600 | 1 HMPEA 8. Jul. 1949 |
Subject: | Building Project of the US Army |
THRU: | Commanding Officer 7780th OMGUS Groupe, Württ.-Baden Section, APO, 403, US Army. Attn.: LSO Heidelberg. |
To: | Lord Mayor, City of Heidelberg, Heidelberg, Germany. |
1. Heidelberg Military Post is planning construction of nine (9) new apartment buildings in the vicinity of Roemerstrasse and Feuerbachstrasse, construction to begin as sonns as possible.
2. it is requested that the City of Heidelberg make aviable to the United States Army the plot of land, approximately 41.000 square metersarea, starting at Roemerstrasse running at 115 meters west and at Feuerbachstrasse running 356 meters south.
3. Your immidiate cooperation is desired.
s/s H: p. perring
Colonel, Inf.
Commanding
Tel. Heid 8931, Ext 4
1 Ein „Schiergar-beihnah-auch-ebbes“ bedeutet, dass einer ein „beinahe etwas“, auf Neudeutsch ein Macho ist.
2 Lebe so, als wäre jedes Heute ein hoher Feiertag wie Kirchweih mit Musik und Tanz; lebe so, als wäre der nächste Tanz eine Française, zu der die besten Sonntagskleider getragen werden sollen.
3 Ein ewig unzufriedener, nörgelnder Mensch, ein Dollbohrer also, der es nicht lassen kann, im immer gleichen Loch zu bohren, das heißt, den Finger in der Wunde zu halten. Deeringler kommt von Thüringer, gemeint ist aber der Sachse, dem man die genannten Eigenschaften als volkstypisch zuschreibt. Die Verwechslung lässt sich dadurch erklären, dass die übrigen deutschen Stämme die Sächsischen Dialekte nicht von demThüringischen unterscheiden können, wie umgekehrt die Mitteldeutschen beispielsweise Rheinfränkisch und Mainfränkisch nicht zu unterscheiden vermögen. Auch wenn ein Deeringler sich noch so „anschmiegsam“ gibt, er bleibt ein Deeringler.
4 Achielen, vom jiddischen Wort „achlen“, was „essen“ bedeutet. 5 Die Blinden: Spitzname für die aus dem Ortsteil Hassbach.
6 Den Wehrdienst verweigert, dafür Ersatzdienst geleistet.
7 Zivildienstleistender. 8 Zu einer christlich geprägten Institution.
9 Ein koscherer Metzger, der nach jüdischer Vorschrift schlachtet.
10 Susanne.
11 SA: Schutzabteilung, das heißt Kampftruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP.
12 HJ: Hitlerjugend.
13 Die Ehefrau Hedwig. 14 Goje = Nichtjüdin.
15 Die Mannheimer Sackträger galten als besonders starke, derbe Männer. 16 5. Mos. 6 / 4.
17 NSKK: Nationalsozialistisches Kraftfahrer-Korps.
18 Während der Reichskristallnacht am 9. November 1938 wurden von SA-Männern an jüdischen Geschäften die Schaufenster eingeschlagen und die Wohnungen zerstört.
19 Gemeint sind die olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin. 20 Über den Schleichweg bei Nothweiler ins Elsaß, den bereits Graf Zeppelin bei seinem Erkundungsritt im Krieg von 1870 benutzt hatte. Klein, Karl: Fröschweiler Chronik. Kriegs- und Friedensbilder aus dem Jahr 1870, Nördlingen 18783.
21 SA: Schutzabteilung, das heißt Kampftruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP. 22 Kennzeichen an der Jungvolkuniform.
23 Gefunden bei illegal abgeladenem Müll, vermutlich von einem Weilerer Bauunternehmer.